Würde man die Adipositas offiziell als eine Erkrankung definieren, könnte dies – so hofft man – dafür sorgen, dass sich mehr Patienten an ihren Arzt wenden statt von einer fragwürdigen Diät zur nächsten zu stolpern. Durch diesen Schritt soll die Schuld vom Rücken der betroffenen Patienten genommen werden, denn nach wie vor wird Adipositas fälschlicherweise häufig als selbstverschuldetes Übel angesehen. Dabei zeigt die Evidenz klar, dass Körpergewicht, Fettverteilung und das Risiko für Adipositas-Komplikationen maßgeblich genetisch determiniert sind. Der rapide Anstieg in der Adipositas-Prävalenz in der heutigen Zeit ist dabei hauptsächlich auf Veränderungen von Lebensmittelangebot und -preisen, körperlichen und sozialen Faktoren zurückzuführen. Die Schuld liegt also keineswegs beim Patienten.
Übergewicht als Erkrankung zu definieren könnte helfen, das Stigma zu reduzieren und die Scheu mancher Patienten abzubauen, sich ärztliche Hilfe zu suchen. Im Schnitt vergehen etwa sechs Jahre bis ein übergewichtiger Patient das Thema beim Arzt anspricht. Aus Angst vor Diskriminierung und aus Schuldgefühl versuchen es sehr viele Übergewichtige heute zunächst mit Trend-Diäten oder nicht-verschreibungspflichtigen Diätpräparaten. Bis wir akzeptieren, dass Adipositas eine Erkrankung ist, werden Patienten auch weiterhin dem Glauben erliegen, dass sie sich „einfach nur mehr Mühe geben“ müssten, um erfolgreich abzunehmen, warnen Experten. OH