Harninkontinenz bei Frauen

NATUR+PHARMAZIE 7/2001

Harn im Überfluss - das verschwiegene Leiden

Inkontinenz gilt als "peinlich". Dabei sind Blasenfunktionsstörungen mit oder ohne Inkontinenz die häufigste Alterserkrankung in westlichen Ländern. In Deutschland leben mindestens 3,7 Millionen behandlungsbedürftig Inkontinente! Die Hälfte von ihnen ist über 60 Jahre, das sind 11% der Senioren - Tendenz steigend. Frauen sind wegen der Vulnerabilität ihres Schließmuskelsystems in jedem Alter etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Harninkontinenz ist dennoch bis ins Alter eine vermeidbare, zumindest therapierbare Krankheit.

Kundin (Mitte 60, Übergewicht): Guten Tag, Herr Apotheker, hier mein Rezept. Apotheker: Ihre hormonhaltige Vaginalcreme, haben wir für Sie auf Lager. Sie kennen ja die Anwendung, Frau Rafael. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Kundin: Ich komme gerade von Dr. Meier, er hatte heute wohl keinen guten Tag. Ich meine, er nahm mein Problem wohl nicht so ernst... (druckst) Apotheker: Für besondere Fragen haben wir eine besonders ruhige Ecke (leitet Fr. R. in die Beratungsecke). Vielleicht kann ich Ihnen bei Ihrem Problem helfen... Hat es mit der Blase zu tun? Kundin: Sie ahnen es. Eigentlich habe ich schon länger eine Art Blasenschwäche. Manchmal geht einfach etwas ab, nicht viel, aber unwillkürlich ... Apotheker: Geschieht es bei Belastung oder auch beim Niesen oder Husten? Kundin: Das Komische ist, es passiert, wenn ich lachen muss - wo ich doch so gern lache! (lacht, hält inne). Außerdem kann es passieren, wenn ich die Wasserkiste trage oder etwas anderes Schweres hebe. Apotheker: Sie verspüren dann keinen Harndrang? Oder haben Sie das Gefühl, Sie müssten dringend zur Toilette gehen? Kundin: Nein, gar nicht. Natürlich hinterher. Apotheker: Die Symptome passen zu einer so genannten Belastungs-Inkontinenz. Sie entsteht dadurch, dass der Schließmuskel die Harnröhre bei erhöhtem Druck - eben z.B. wenn Sie herzhaft lachen, schwer heben oder niesen müssen - nicht mehr perfekt abdichtet. Mit einer Blasenschwäche hat es nichts zu tun. - Was hat Dr. Meier gesagt? Kundin: Er meinte, das hätte mit dem Alter zu tun. Wenn es nicht schlimmer würde, müsste ich damit leben! Apotheker: Mit der Begründung hat er Recht, mit seiner Folgerung bin ich überhaupt nicht einverstanden! Beispiel: Wenn es sich um eine Schließmuskelschwäche handelt, lassen sich sehr oft durch Beckenboden-Gymnastik Erfolge erzielen. In dem Training lernen Sie, gezielt die richtigen Muskeln anzuspannen und zu trainieren, die am Blasenverschluss beteiligt sind. In dieser Broschüre, die ich Ihnen mitgebe, ist das Training beschrieben. Sie enthält auch Adressen von Physiotherapeuten, die zu diesen und weiter gehenden sinnvollen Übungen anleiten. Kundin: Wenn das so ist, sollte ich vielleicht in dieser Sache einen anderen Arzt, aufsuchen, dem ich mehr vertraue. Kann das Problem mit den Medikamenten zusammenhängen, die er mir verordnet? Apotheker: Das Östrogen in der verordneten Vaginalcreme hat einen positiven Einfluss, weil es die Schleimhäute regeneriert. Lassen Sie mich aber in unserem Computersystem schauen, ob Sie Medikamente verordnet bekamen, die als Nebenwirkung eine Blasenfunktionsstörung auslösen können. - Hier: Weder ACE-Hemmer, Calciumantagonisten, Betablocker, Diuretika oder Digitalis bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, noch Antazida bei Magenübersäuerung; keine Psychopharmaka, Antiepileptika, Parkinsonmittel... Kundin: Stimmt. Habe ich nicht, will ich nicht. - Was kann ich jetzt noch tun? Apotheker: Einlagen verwenden. Bei leichter und gelegentlicher Inkontinenz reichen solche kleinen. Sie sind anatomisch geformt und werden wie eine Slipeinlage mit einem Klebestreifen in der Unterwäsche befestigt. Rutscht nicht, trägt nicht auf. Ein Gel saugt Flüssigkeit auf und bindet sie geruchslos. Kundin: Die nehme ich mit. Damit ich wieder sorgloser lachen kann!

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x