State of the Art

NATUR+PHARMAZIE 9/2002

Empfehlungen zur Vitamin-Supplementation

Eine nach eigenen Angaben gesunde Patientin mittleren Alters betritt Ihre Apotheke und möchte beraten werden: Welche Vitamine empfehlen Sie mir denn, Frau Apothekerin? Damit die Antwort etwas leichter fällt, haben amerikanische Experten zusammengefasst, welche Nutzen einer Vitamin-Supplementation derzeit als gesichert gelten.

Folsäure Mit hoher Wahrscheinlichkeit steigt bei einer niedrigen Folsäurezufuhr das Risko für kardiovaskuläre Erkrankungen und verschiedene Krebsarten. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass Folsäure die Homozysteinkonzentration beeinflusst. Menschen mit hohen Homozys-teinspiegeln haben ein höheres KHK-Risiko. Eine niedrige Folsäureaufnahme und in geringerem Umfang auch eine niedrige Vitamin B6- und Vitamin B12-Aufnahme erhöhen aber die Homozysteinspiegel. Eine höhere Folsäureaufnahme ist mit einem geringeren Risiko für Kolonkarzinome und Brustkrebs assoziiert. Dies gilt besonders für Menschen, die täglich Alkohol trinken. Alkohol stört die Aufnahme und Verstoffwechslung von Folsäure. Niedrige Folsäurespiegel sind wiederum mit einem fehlerhaftem DNA-Aufbau assoziiert. Die optimale Folsäure-Tagesdosis steht bisher nicht fest. 400 µg/d senken die Homozysteinspiegel bei den meisten Menschen. Möglicherweise ist für eine Karzinom-protektive Wirkung eine höhere Dosis nötig. Die mit der Ernährung zugeführte Folsäuremenge beträgt in Amerika meist nicht mehr als 200 µg/d. Vitamin B6 Wer täglich weniger als 2 mg Vitamin B6 aufnimmt, hat ein erhöhtes KHK-Risiko. Es ist unklar, ob dieses Risiko unabhängig von der Höhe der Folsäurezufuhr ist. Fleisch und Gemüse sind die Hauptlieferanten von Vitamin B6. Menschen, die den Konsum von rotem Fleisch einschränken, ohne den Konsum von Gemüse zu erhöhen, neigen zu niedrigen Vitamin B6-Spiegeln. Vitamin B12 Niedrige Vitamin B12-Spiegel finden sich vor allem bei älteren Menschen mit herabgesetzter Magensäure-Produktion und sind, wie erniedrigte Folsäure-Spiegel, mit höheren Homozystein-Spiegeln assoziiert. 12% der älteren Menschen haben ungenügend gefüllte Vitamin B12-Speicher. Die Folgen sind nicht völlig klar, aber es wird ein erhöhtes Risiko für vaskuläre Erkrankungen und Karzinome angenommen. Die Absorption von kristallinem Vitamin B12, das in Vitaminpräparaten enthalten ist, ist nicht von der Magensäure abhängig. Vitaminpräparate sichern daher eine adäquate Vitamin B12-Aufnahme. Vitamin D Regelmäßige Sonnenlicht-Exposition könnte eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D gewährleisten. Gerade bei älteren, immobilisierten Patienten ist oft nicht gewährleistet, dass sie, vor allem in den Wintermonaten, ausreichend ins Freie kommen. Dazu enthalten nur wenige Nahrungsmittel von Natur aus Vitamin D. Daher wird empfohlen, täglich 400 IU Vitamin D zuzuführen. Eine tägliche Aufnahme bis 2000 IU Vitamin D wird als sicher angesehen. Vitamin A Vitamin A spielt eine Rolle bei der Zelldifferenzierung. Eine höhere Vitamin A-Zufuhr könnte daher theoretisch das Krebsrisiko senken. Die Vitamin A-Blutspiegel werden aber im Körper in engen Grenzen gehalten, und eine höhere Vitamin A-Aufnahme zeigt bei gut ernährten Menschen kaum einen Effekt. Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass eine hohe Vitamin A- oder beta-Karoten (Vitamin A-Vorstufe)-Zufuhr das Krebsrisiko senkt. Eine tägliche Vitamin A-Aufnahme bis zum zweifachen der empfohlenen Menge von 5000 IU gilt als sicher. Die Aufnahme von "preformed Vitamin A" (Retinol) von 10000 IU täglich und darüber ist nicht empfehlenswert. Der Konsum dieser Mengen an Retinol war in Untersuchungen mit einem erhöhten Hüftfrakturrisiko verbunden und kann in der Schwangerschaft zu bestimmten Geburtsdefekten führen. Vitamin E Die meisten Vitamin E-Präparate enthalten 200 bis 800 IU, ein Vielfaches der empfohlenen Menge. Hohe Dosen Vitamin E blockieren die oxidative Veränderung von LDL-Cholesterol und scheinen das KHK-Risiko senken zu können. Allerdings sprechen die Ergebnisse verschiedener Studien nicht dafür, dass KHK-Patienten kurzfristig von einer Vitamin E-Einnahme profitieren. Die Langzeiteffekte zur primären KHK-Prävention sind bisher unklar. In einer Studie kam es unter Vitamin E-Einahme zu einer signifikanten Reduktion der Inzidenz von Prostatakarzinomen. Die Einnahme von bis 1000 IU Vitamin E gilt als unbedenklich. Möglicherweise erhöht Vitamin E das Risiko für einen hämorrhagischen Insult bei Rauchern und beschleunigt die Progression einer Retinitis pigmentosa. Vitamin C Bei einer täglichen Vitamin C-Aufnahme von 90 mg (Männer) und 75 mg (Frauen) sind die Körpergewebe gesättigt (Raucher: +35 mg), eine Einnahme in höherer Dosis ist daher nicht sinnvoll. Bisher gibt es keine eindeutigen Hinweise darauf, dass Vitamin C das KHK- oder Krebsrisiko senken könnte. Multivitaminpräparate Die meisten Menschen konsumieren Vitamine in Form von Multivitaminpräparaten. Diese enthalten meist folgende zur täglichen Einnahme empfohlenen Vitaminmengen: Vitamin 5000 IU Vitamin C 60 mg Vitamin D 400 IU Vitamin E 30 IU Thiamin (B1) 1,5 mg Riboflavin (B2) 1,7 mg Niacin 20 mg Vitamin B6 2 mg Folsäure 400 µg Vitamin B12 6 µg Pantothensäure 10 mg (UB)

Quelle: Willett, WC: What vitamins should i be taking, doctor?, Zeitschrift: NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE, Ausgabe 345 (2001), Seiten: 1819-1823

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