Abschied von alten Überlieferungen

NATUR+PHARMAZIE 5/2006

Chronische Obstipation - Mythen und Irrtümer

Eine Vielzahl nicht evidenzbasierter Aussagen über Ursachen und Behandlung der chronischen Verstopfung werden von einer Generation zur nächsten weiter ge-geben.

So veranlasst die angebliche Vergiftung des Körpers immer noch viele Menschen zu schädlichen Darmreinigungsprozeduren. Großen Schaden kann auch die nicht indizierte Verkürzung eines elongierten Kolons wegen chronischer Obstipation anrichten. Die Rolle der Hormone wird überbewertet. Sie tragen fast nur bei Schwangeren zur Obstipation bei; eine Hypothyreose als Ursache einer chronischen Obstipation ist selten. Eine ballaststoffarme Ernährung kann in Einzelfällen zur Verstopfung beitragen. Nicht immer aber führt eine faserreiche Kost zur Besserung, bei Dehydratation wie in schweren Fällen können die Symptome sogar zunehmen. Fehlende körperliche Aktivität trägt mit anderen Faktoren zur Verstopfung bei. Insbesondere bei Senioren kann ein breites Rehabilitationsprogramm helfen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein chronischer "Laxanzienabusus" mit Anthrachinonen in empfohlener Dosierung das autonome Nervensystem des Darms schädigt. Auch die Melanosis coli ist ein harmloser Nebeneffekt. Das Darmkrebsrisiko ist zwar bei chronischer Obstipation erhöht; Laxanzien aber konnten nicht als unabhängiger Risikofaktor identifiziert werden. Ein Gewöhnungseffekt durch Laxanzien tritt nur bei einer sehr kleinen Patientengruppe mit langsamem Kolontransit ein, nicht aber beim Gros der Benutzer. Einer Abhängigkeit von Abführmitteln liegt häufig eine psychiatrische Erkrankung zugrunde. (Ko)

Quelle: Müller-Lissner, SA: Myths and misconceptions about chronic constipation, Zeitschrift: AMERICAN JOURNAL OF GASTROENTEROLOGY, Ausgabe 100 (2005), Seiten: 232-242

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